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Erschienen in: Das Magazin, 23/2014

Zwei Schwestern

Melanie wundert sich, wie anders Isabelle aufwächst, dabei trennen sie nur zehn Jahre. Sie ist 26, ihre Schwester 16. Was heisst es, heute ein Teenager zu sein?

Als wir vor ein paar Wochen mit der freien Journalistin Melanie Keim ins Gespräch kamen, erzählte sie viel von ihrer jüngeren Schwester Isabelle, einer 16-jährigen Gymischülerin an der Kantonsschule Hohe Promenade in Zürich. Auch Melanie hat vor zehn Jahren die «Hopro» besucht, für sie schienen Welten zu liegen zwischen ihren Erinnerungen und dem Schülerdasein ihrer Schwester. Sie klang wie eine Mittvierzigerin, als sie das Leben ihrer Schwester beschrieb, und wir merkten, wie sehr sie das Denken und Verhalten heutiger Jugendlicher beschäftigt. Das machte uns neugierig. Was genau ist denn so anders geworden? Was stört sie? Und dann baten wir sie, ihre Schwester all das zu fragen, sie für ein grosses Publikum auszuhorchen. Isabelle war einverstanden, das einzige Problem war, einen Gesprächstermin mit ihrer Schwester zu finden – womit wir schon mitten im Thema sind. Melanie versteht die Zeitknappheit heutiger Teenager nicht. Zum familiären Hintergrund: Melanie und Isabelle sind Halbschwestern und in einer Vorortgemeinde am Zürichsee aufgewachsen. Als Melanie vier und ihr Bruder Fabian sechs waren, trennten sich die Eltern. Fünf Jahre später heiratete ihre Mutter erneut, 1997 kam Isabelle auf die Welt.

Melanie — Isabelle, wenn ich dich an der Hopro abhole, habe ich oft das Gefühl, dass zwischen uns mehr als zehn Jahre liegen. Wir waren ein Haufen unbeholfener, unpassend gekleideter und planloser Jugendlicher. Ihr seid hingegen top gestylt, habt ein selbstsicheres Auftreten, als ob ihr gleich an ein Casting müsstet. Das irritiert mich.

Isabelle — Ja, bei uns passt alles zusammen. Zwei Klassen über uns sind sie noch etwas anders gekleidet, weniger gestylt, die Klassen unter uns legen dafür noch mehr Wert aufs Aussehen. Was das Professionelle angeht: Wir geben uns Mühe, erfolgreich zu sein, wollen aber auch unseren Spass haben, «work hard, play hard» eben. Ich weiss aber nicht, was dich daran so stört.

Ihr kommt mir manchmal vor wie kleine Jungunternehmer. Du regst dich ja kaum über die Erwachsenenwelt auf. Wir waren zwar auch keine Rebellen, aber wir wollten auf keinen Fall wie die Erwachsenen sein oder wie sie aussehen. Fabian und ich haben uns früher doch über soziale Ungerechtigkeiten, den Kapitalismus aufgeregt, eine Zeit lang haben wir Coca-Cola und McDonald’s boykottiert.

Ich habe grundsätzlich kein Problem mit der Welt, in der wir leben, auch wenn es eine Konsumgesellschaft ist. Dass wir diese eigentlich nicht hinterfragen, schockiert mich zum Teil aber auch. Manchmal inspiriert mich ein Song oder ein Video aus dem Internet total – über Menschen, die anders leben. Dieser Junge aus den USA zum Beispiel, der Homeschooling macht, weil ihm das normale Schulsystem nicht passt. Oder wenn ich diese Frauen in Afghanistan sehe, die nicht lesen lernen dürfen, dann will ich sofort raus und die Welt verändern, aber ich tue es nicht. Ich denke mir immer: später einmal, wenn ich gross bin – obwohl ich weiss, dass ich es dann wahrscheinlich nicht mehr machen werde.

Du regst dich also doch über diese Gesellschaft auf.

Ja, und gleichzeitig gefällt sie mir auch. Wir leben hier in der Schweiz in einer perfekten Welt und wollen auch in dieser bleiben. Ich hatte einmal einen Facebook-Status, der hiess: «When you make people think, they think, they love you. But when you really make them think, they hate you.» Es ist wirklich so.

Vor kurzem habe ich eine Diskussion mit einer Freundin nicht zu Ende geführt, weil sie sich angegriffen fühlte. Dabei ging es um etwas völlig Unpersönliches, den Kunstmarkt. Wahrscheinlich stört es mich gerade deshalb, dass du dich so wenig aufregst, weil ich es selbst nicht mehr tue. Was hältst du eigentlich davon, wenn sich jemand politisch engagiert?

Es kommt drauf an, wofür man sich engagiert und in welchem Ausmass. Wenn jemand in einer Partei ist und auf Facebook die ganze Zeit mit Themen stresst, die uns im Grunde nicht betreffen, denke ich auch: Hängs mal. Du kannst auch noch Politiker werden, wenn du erwachsen bist. Diese «Stop Kony»-Kampagne gegen den ugandischen Warlord Joseph Kony war bei uns dafür voll das Ding. Da konnte man locker helfen, aber ich fand es doof, dass man dafür ein T-Shirt oder ein Bändeli bekam. Man konnte zeigen: Hey, ich habe im Fall gespendet.

Bei uns war es wichtig, eine eigene Meinung zu haben oder, anders gesagt, eine grosse Klappe. Diesen Sechstklässler, der bei den Demos gegen den Bildungsabbau mit dem Megafon unterwegs war, fand ich schon recht cool. Was gilt bei euch als cool?

Wenn man möglichst viel besonders gut kann, ohne ein Streber zu sein; wenn man gut aussieht und Connections hat, also möglichst viele Leute kennt. Erfolg ist wichtig, und gleichzeitig ist es auch fast cool, wenn jemand aus der Schule fliegt. Man hat irgendwie das Gefühl, der trotzt den andern. Und, ja, Reichtum ist schon auch ein Thema. Leute, die im Kaufleuten einen Tisch haben und Moët spendieren, gelten bei solchen, die sich leicht beeinflussen lassen, schnell als cool. Weil sie einflussreich sind, weil sie Geld haben, obwohl es ja eigentlich ihre Eltern sind.

Das waren für uns die Bonzen, und mit Geld anzugeben war verpönt. Wenn du mir erzählst, dass Kollegen von dir im Sprüngli Zmittag essen, denke ich manchmal schon, ich bin im falschen Film. Machen das viele?

Nein, das sind Ausnahmen. Normalerweise holen wir etwas im Coop oder in der Migros. Früher musste ich einfach alles Neue ausprobieren. Für Bubble Tea oder Frozen Yogurt habe ich schon Unmengen Geld ausgegeben.

Ich habe mich früher schon über dein Konsumverhalten aufgeregt und mich gefragt, woher das kommt. Wir sind ja doch nicht so unterschiedlich aufgewachsen.

Was meinst du konkret?

Dass wir uns im Starbucks treffen zum Beispiel oder dass du eine Louis-Vuitton-Tasche hast, auch wenn die Fake ist.

Ja, eine Zeit lang habe ich Louis Vuitton geil gefunden. Jetzt muss ich nicht mehr unbedingt eine Markentasche haben. Es ist auch langweilig, wenn alle das Gleiche haben. Diese Michael-Kors- Tasche zum Beispiel, die fand ich zuerst schon cool, aber jetzt haben die sowieso alle.

Woher kommt euer Style?

Keine Ahnung. Was grad Fashion ist halt. Was Miranda Kerr trägt, gefällt mir oft. Wir werden vielleicht inspiriert von solchen Leuten, aber wir basteln dann unseren eigenen Style daraus

Bei euch an der Schule ist es ja schon fast normal, dass man in New York shoppen geht.

Ich weiss, ich bin nicht grad der grosse Öko. Aber wenn wir über die Umwelt diskutieren, bringe ich immer das Flugzeugargument. Das habe ich von Fabian und dir, das Argument, dass das Flugzeug eben nicht sowieso fliegt. Mit der Schule haben wir an einer Ausstellung einmal ein Video übers Schlachten angeschaut. Viele wollten gar nicht hinschauen, weil sie sonst ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie Fleisch essen. Mich nervt es, wenn die Leute behaupten, sie seien nicht schuld daran, dass es der Umwelt so schlecht geht. Aber ich muss mir auch immer wieder solche Filme anschauen, damit ich das nicht vergesse.

Wie stellst du dir eigentlich die Zukunft vor?

Ich möchte später einmal eine Familie und genügend Geld, um mit meinem Mann und meinen Kindern die Welt zu entdecken.

Im Ernst? Ich hatte mit 16 romantische Vorstellungen und habe mir die grosse Liebe und Abenteuer gewünscht. Und dass Geld im Leben eben doch eine grosse Rolle spielt, wurde mir erst viel später klar – zum Glück.

Geld ist mir schon nicht so wichtig, wie das jetzt klingt, aber ich möchte einfach einmal nicht aufs Geld schauen müssen. Wir haben zu Hause genug Geld, ich bin mit diesem Standard aufgewachsen und möchte später nicht weniger haben.

Ein Lehrer von dir, den ich auch schon hatte damals, erzählte mir, manche Schüler hätten Angst, dass sie den Status der Eltern nicht erreichen können. Das gab es bei uns nicht. Heiraten ist für dich also eine gesetzte Sache?

Ja, auch die meisten meiner Freundinnen wollen einmal heiraten und Kinder haben. Wir sprechen übrigens in zehn Jahren wieder darüber, ob du wirklich nicht heiraten willst.

Das hat bestimmt auch damit zu tun, dass sich meine Eltern scheiden liessen. Aber «Ehe», das klingt für mich immer noch nach einer traditionellen Rollenverteilung. Mit meinen Freundinnen rede ich oft über solche Sachen. Du?

Nein. Wir kennen diese Zeit nicht, als der Mann noch über der Frau stand. Heute ist klar, dass du entscheiden kannst, ob du arbeiten willst oder lieber zu Hause bleibst. Weil wir wissen, dass wir beide Möglichkeiten haben, können wir auch die angenehmere wählen.

Was ist die angenehmere Variante? Hausfrau?

Mir geht es darum, dass ich für meine Kinder da sein will und keine Nanny habe, die zu ihnen schaut. Ich sehe das einfach bei Kollegen, die totale Abstürze sind, weil ihre Eltern nie zu Hause sind. Du kannst deine Kinder nicht mit Geld füttern. Zuerst würde ich aber unbedingt Karriere machen wollen. Ich könnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als den Master fertig zu machen, dann schwanger zu werden und nicht arbeiten zu können.

Wir haben das Wort «Karriere» im Gymi nicht benutzt oder höchstens abschätzig. Was bedeutet das für dich: «Karriere machen»?

Etwas, das mir Spass macht, in dem ich richtig gut bin und mich verbessern kann. Manchmal bin ich enttäuscht von mir, dass ich in nichts besonders gut bin. Mich stört es zum Beispiel, dass ich nicht früher mit einer Sportart angefangen habe und darin jetzt megagut bin. Aber ich mache einfach gern immer wieder neue Sachen.

Das kenne ich. Während meinem Studium hatte ich keine richtige Leidenschaft, nichts, wofür ich alles geben würde. Andere gingen total in ihrem Studium auf oder in einem Hobby. Manchmal gab ich meinen Eltern die Schuld, weil sie uns nicht gepusht haben. Das ist natürlich Blödsinn. Zum Glück sah ich im Gymi noch nicht, was ich alles aus mir hätte machen können, um dann möglichst das Maximum herauszuholen. Ihr hingegen wisst alle, dass man Gas geben und damit viel erreichen kann. Ich weiss nicht, ob ich damit so locker umgegangen wäre wie du.

Das wirkt vielleicht so. Ich mache mir ganz schön Druck in der Schule. Ab einem gewissen Alter sagen dir die Eltern nicht mehr, was du zu tun hast, sondern du versuchst, gute Leistungen zu bringen, damit sie stolz sind auf dich. Bei mir ist das zumindest so. Ich habe mir auch schon überlegt, dass es besser gewesen wäre, wenn ich in der Primarschule nicht so gut gewesen wäre und es nur knapp ins Gymi geschafft hätte. Dann wären die Erwartungen jetzt nicht so hoch. .

Ich kenne dich nur als sorglose Isabelle. Meinst du, dieser Druck hat damit zu tun, dass deine Eltern schon etwas älter sind?

Ich bin einfach die Letzte. Manchmal wäre es cool, wenn ich jemanden in meinem Alter hätte, der mit mir gegen die Eltern rebelliert. Allein ist es ein wenig anstrengend. Ich sage immer, ich bin ein Einzelkind mit Geschwistern. Wie war das eigentlich, als ich noch dazukam?

Fragst du dich solche Dinge?

Ja, ich denke manchmal, mit zehn hätte ich es vielleicht doof gefunden, wenn noch jemand dazugekommen wäre.

Spinnst du – wir fanden es super, eine kleine Schwester zu bekommen. Ich bin immer total stolz auf dich gewesen, auch heute stelle ich dich immer gern meinen Freunden vor.

Vielleicht hat es euch gestört, dass sich plötzlich alle Aufmerksamkeit auf mich richtete. Etwa mit sieben habe ich realisiert, dass ihr viel älter seid als ich, da habe ich auch daran gedacht, dass ihr einmal vor mir sterbt.

Würdest du heute mit uns tauschen wollen?

Nein, ehrlich gesagt nicht. Du musst das jetzt nicht falsch verstehen, aber ich bin eben auch froh, dass wir so viele Möglichkeiten haben, dass ich reisen kann, all diese technologischen Mittel habe. Mir gefällts, wie es ist. Uns wird aber immer das Gefühl gegeben, dass die früheren Generationen besser waren. Man hört immer nur das Schlechte über die Jugend. Hast du zum Beispiel echt das Gefühl, dass wir Abstürze sind und die ganze Zeit Drogen konsumieren, die wir nicht kennen?

Nein. Apropos – kiffst du?

Solche Sachen erzählt man seinen Geschwistern nicht, sonst ist es ja gar nicht mehr interessant.

Ich habe das Gefühl, ihr seid sehr angepasst und zielstrebig. Und manchmal habe ich vielleicht auch einfach Angst, abgehängt zu werden. Du bist in vielen Dingen smarter als ich. Diese Stop-Motion-Filmli, die du für die Schule machst, das könnte ich nicht. Und wenn du mir Videos zeigst von diesen Kollegen, die Splashdiving machen, oder die Website von dem Jungen, der mit seiner Youtube-Playlist einen Haufen Geld verdient, dann staune ich vor allem, auf welch hohem Niveau die sich vermarkten.

Ja, wir wissen, wie wir uns inszenieren müssen. Ich glaube, dass wir schon früher aufs Erwachsenenleben vorbereitet werden. Oder anders gesagt, es wird uns jetzt schon gesagt, worauf es später einmal ankommt. Ich habe auch das Gefühl, dass wir viel mehr ausprobieren, und wenn wir etwas nicht wissen, haben wir keine Mühe, Hilfe anzunehmen. Man schaut sich ein Youtube-Tutorial an oder fragt einen Kollegen. Wenn alte Leute einfach kein Hörgerät wollen – so was kann ich nicht verstehen. Diese Angst, sich zu blamieren, gibt es bei uns weniger.

Es ist schwierig, mit dir abzumachen. Wieso du nie Zeit hast, verstehe ich nicht. Verbringst du nicht einfach zu viel Zeit mit Facebook und Whatsapp?

Ich glaube eher, ich bin deshalb so oft auf Whatsapp und Facebook, weil ich keine Zeit zum Abmachen habe. Aber ich liege auch gern mal einfach auf dem Bett mit meinem Compi, um neue Musik zu suchen. Da kann ich mich voll entspannen und muss nichts machen. Und du, würdest du eigentlich gern mit mir tauschen?

Nein, ich glaube, es ist nicht einfach, wie du aufwächst. Ich finde es heute schon schwierig genug, mit all diesen Möglichkeiten umzugehen. In meinem Freundeskreis wissen viele gerade überhaupt nicht, wohin mit sich. Ich bin auch froh, dass ich früher nicht dauernd irgendwelche Super-Ichs oder bessere Leben auf Lifestyle-Blogs zu sehen bekam. Vor zehn Jahren hatte noch niemand Facebook.

Ich denke manchmal auch, dass es besser wäre, wenn es weniger ums Aussehen ginge. Wieso gehen so viele Jungs bei uns «pumpen»? Weil es Spass macht? Nein. Sie machen das genauso, wie sich die Frauen dünnmagern. Ich kann schon verstehen, wenn jemand voll hart Fussball trainiert oder so, aber ins Fitness? Dass man sportlich aussieht, ist schon wichtig. Die Jungs finden es hohl, wenn man nur einen Salat isst, aber eine gute Figur sollte man dann trotzdem haben. Auch vielen Eltern ist es wichtig, dass ihre Kinder nicht dick werden.

Bei uns gab es eine Mitschülerin, die von ihrer Mutter auf eine krasse Diät gesetzt wurde, als sie vom Zwischenjahr in den USA mit ein paar Kilo mehr zurückkam. Das war aber eine grosse Ausnahme, und sie tat allen leid.

Es gibt schon Eltern, die eine perfekte kleine Version von sich wollen, aber ich kenne nicht viele solche Leute. Eigentlich ist es krass, wie dünn alle sind im Gymi. Ein paar modeln sogar und verdienen Geld damit, und megaschnell sagt jemand: Isa, hast du abgenommen? Ich merke auch sofort, wenn jemand zu- oder abnimmt. Das zeigt schon, wie extrem wir darauf achten.

Das Aussehen war bei uns natürlich auch wichtig, ich wollte mit 16 auch dünn sein. Doch wir hatten kein Tumblr oder Instagram, wo wir uns ständig vergleichen konnten. Auf diesen Bildern sehen ja die meisten irgendwie modelmässig aus. Ich finde es stark, dass du dich von diesem Schlankheitswahn wenig beeindrucken lässt. Auch deine Sportfaulheit finde ich eigentlich cool.

Manchmal denke ich schon, dass es einfacher wäre, wenn ich dünner wäre. Aber ich finde es zu schade, aufs Essen zu verzichten. Viele sind ja auch deshalb so dünn und haben lange Haare, weil sie nicht wissen, wer sie sind, und darum lieber mit dem Strom schwimmen.

Für einen Teenie ist es nicht selbstverständlich, so zu denken. Du lässt dir auch von Fabian und mir wenig sagen. Sind wir keine Vorbilder für dich?

Wenn ihr öfter bei mir wärt, dann würde ich auch mehr auf euch hören. Man lässt sich von den Leuten beeinflussen, die um einen herum sind, und ihr seid so anders als meine Freunde. Eigentlich haben wir nicht sehr viel gemeinsam. Ich finde eure Generation auch recht schwierig zu verstehen. Ihr seid schon easy alt und gleichzeitig manchmal auch totale Kindsköpfe.

Ich habe manchmal fast das Gefühl, eigentlich seist du die grosse Schwester.

Waaas?

Wenn wir shoppen gehen, sagst du: Melanie, du bist nicht zu dick, das steht dir, nein, das musst du nicht kaufen. Und wenn ich ein Chaos mit einem Mann veranstalte, dann knallst du eine ziemlich treffende Analyse auf den Tisch. Das würde man eigentlich von der grossen Schwester erwarten.

Meistens denken die Leute einfach zu negativ, ich versuche immer, das Positive reinzubringen. Aber ja, irgendwie schalten die Erwachsenen manchmal schon das Gehirn ab.

Denkst du eigentlich nie: Mein Gott, meine Schwester hat ihr Leben mit 26 immer noch nicht im Griff?

Nein, das nicht. Aber ich möchte nie als freie Journalistin arbeiten. Bei diesem Job weiss man nie, woran man ist, wann man das nächste Mal bezahlt wird. Das könnte ich nicht haben. Ich nehme auch an, dass du nicht immer als freischaffende Journalistin arbeiten willst. Das macht niemand.

Natürlich gibt es Leute, die so leben, du kennst das einfach nicht.

Das würde ich nie wollen. Nicht, was das Finanzielle anbelangt.

Mir fällt auf, dass du wenig danach fragst, wie Fabian und ich früher waren. Interessiert dich das überhaupt?

Mittelmässig. Ich wüsste nicht, was fragen. Ihr seid meine Geschwister, ihr seid cool, und ich bin froh, euch zu haben. Ich habe nicht das Gefühl, dass ihr besonders aufregende Dinge gemacht habt, ausser in der Badi rumliegen oder so. Und auch wenn du so tust, als ob ihr die grossen Rebellen gewesen seid – im Grunde seid ihr wohl doch nicht so anders gewesen als wir.